Kristallnacht, häufig als „Nacht der zerbrochenen Gläser“ bezeichnet, weil in Geschäften und Synagogen Fenster zersplitterten, ist der euphemistische Begriff, den die Nazis geprägt haben, um ein massives antijüdisches Pogrom zu bezeichnen, das am 9. und 10. November 1938 in ganz Deutschland, Österreich und dem von Deutschland besetzten Sudetenland in der Tschechoslowakei verübt wurde.
Am Abend des 9. November 1938 sah die Polizei tatenlos zu, als Mitglieder der [SA] und [Hitlerjugend] im ganzen Reich auf die Straße gingen. In der darauf folgenden Welle der Gewalt wurden 267 Synagogen in Brand gesteckt und zerstört, jüdische Geschäfte geplündert und ihre Fenster eingeschlagen, jüdische Schulen, Häuser und Krankenhäuser geschändet.
Der von der Nazi-Propaganda angeführte Grund war die Ermordung eines Jungdiplomaten in Paris durch einen jüdischen Teenager, dessen Familie aus Deutschland deportiert und von der polnischen und deutschen Regierung in der Grenzstadt Zbaszyn sich selbst überlassen worden war.
Nach der Kristallnacht trieb die Polizei 30.000 jüdische Männer zusammen und brachte sie in Konzentrationslager. Nach ihrer Freilassung nahmen die Anträge auf Ausreise aus Deutschland zu, obwohl nur wenige Anträge auf ein ausländisches Visum Aussicht auf Erfolg hatten.
Die Ereignisse, die gemeinhin als der Wendepunkt betrachtet werden, der zur Eskalation der antijüdischen Politik und Stimmung in Nazi-Deutschland führte, hatten weder nennenswerte Maßnahmen der alliierten Regierungen gegen die Nazis zur Folge, noch förderten sie die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge in anderen Ländern. Im Sommer 1939 wurde den Flüchtlingen an Bord der [MS St. Louis] die Einreise in die Vereinigten Staaten, nach Kanada und Kuba verwehrt.
[MS St Louis: ein deutscher Ozeandampfer, der im Mai 1939 mit 900 Passagieren, die vor der Verfolgung durch die Nazis Zuflucht suchten, von Hamburg nach Kuba fuhr. Dem Schiff wurde die Erlaubnis verweigert, in Kuba, den Vereinigten Staaten und Kanada seine Passagiere auszuschiffen und so kehrte es schließlich im Juni nach Europa zurück. Den meisten Flüchtlingen wurde in Frankreich, Belgien und den Niederlanden Asyl angeboten: Historiker schätzen, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge an Bord nach dem Einmarsch der Nazis in diese Länder schließlich in Auschwitz getötet wurde.]
[SA: zu deutsch Sturmabteilung. Als paramilitärischer Flügel der NSDAP, der sich aus arbeitslosen Veteranen der Arbeiterklasse zusammensetzte, erwarb sich die SA in den 1920er- und 1930er-Jahren einen berechtigten Ruf für Gewalt und Rowdytum. In den 1920er Jahren sorgten sie für die Sicherheit von Parteitreffen und Kundgebungen und „sammelten“ Beiträge zur Finanzierung der Partei. Nach der Machtergreifung 1933 drängte die Führung der SA auf eine aggressivere Umsetzung des Nazi-Programms und drückte insbesondere den Wunsch aus, die Armee zu übernehmen. Um die Unterstützung der Armee zu gewinnen, befahl Hitler Ende Juni/Anfang Juli 1934 die Verhaftung und Ermordung der SA-Führer, in der sogenannten „Nacht der langen Messer“. In der Folge spielte die SA im NS-Staat eine eher untergeordnete Rolle.]
[Hitlerjugend: Ein Jugendbund für Jungen, die Hitlerjugend, und ihr weibliches Gegenstück, der Bund Deutscher Mädel, wurden 1936 für alle deutschen Jugendlichen zur Pflicht. Neben der ideologischen Indoktrination waren die Aktivitäten in hohem Maße geschlechtsspezifisch: Jungen konzentrierten sich auf Fähigkeiten, die sie auf den Militärdienst vorbereiteten, während Mädchen zu Ehefrauen und Müttern ausgebildet wurden. Historiker sind sich nicht einig darüber, inwieweit es der Hitlerjugend gelungen ist, die deutsche Jugend wirklich zu indoktrinieren: Obwohl einige ehemalige Mitglieder wie Melita Maschmann darüber geschrieben haben, in welchem Maße sie sich bis sehr spät der Nazi-Ideologie verschrieben hatten, deuten andere Quellen darauf hin, dass die Teilnahme an Jugendbewegungen von einigen Jugendlichen verabscheut wurde.]